
Kontrahenten ums Jetzt, Gefährten ins Morgen
Zwei Prämissen, die erste: Wir alle wollen mit etwas verbunden sein, das über uns hinausweist, über uns als einzelne, endliche Menschen. Die zweite: Einen Mangel an echten Aufgaben gibt es nicht; solange es Menschen gibt, gibt es auch menschlichen Sinn.
Die erste Prämisse: Mehr als nur für mich
Die Gültigkeit der ersten Prämisse zeigt sich etwa darin, welchen Anspruch unterschiedliche Menschen an ihre Arbeit haben: Wer seinen Kindern ein besseres Leben ermöglichen möchte und dafür Geld – beziehungsweise das, was für Geld zu bekommen ist – als entscheidend betrachtet, wird versuchen, möglichst viel davon zu verdienen. Ihre Verbundenheit mit Anderen und vor allem mit der Zukunft drückt sich also nicht in dem aus, was sie in ihrer Arbeit tut: Jede Arbeit ist denkbar, ist sie nur gut bezahlt. Anders wird handeln, wer seinen Kindern vor allem eine lebenswerte Welt hinterlassen möchte – sei es eine ökologisch oder eine politisch funktionierende Welt: Für ihn ist vermutlich der Inhalt der Arbeit entscheidend; seine Verbundenheit mit der Zukunft drückt sich in der Arbeit selbst aus.
Die zweite Prämisse: Echte Aufgaben
Aus der zweiten Prämisse folgt: Das Ziel von Menschen – und damit von Organisationen – kann niemals sein, wirkungs- und nutzlose oder gar schädliche Tätigkeiten zu verteilen oder dafür zu sorgen, dass Menschen diese Tätigkeiten verrichten können oder müssen. Ich vermute, dass unsere Welt schon dann eine bessere wäre, wenn Viele nur aufhören könnten und dürften, zu tun, was ihre Arbeit ist. Denn einiges von dem, was wir tun, hat nicht mehr als einen Binnennutzen: Sein Sinn ist nur in einem engen Kontext überhaupt erkennbar – oft ist das nur noch die Organisation selbst oder gar nur ein Teil von ihr. Wenn die Organisation aber selbst gar keine echte Aufgabe (mehr) hat, ist das Handeln des einzelnen Menschen darin, bezogen auf die Welt, schnell nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich.
Die Synthese: Vom gemeinsamen Kern aus arbeiten
Für mich ist die Synthese beider Prämissen: Wir sollten aufhören, Arbeitsplätze zur Grundeinheit, zur Konstante zu machen. Und uns stattdessen an echten Aufgaben orientieren, am Kern – im Kleinen wie im Großen: Was ich als Mensch entwickle, worauf ich mich dann verlasse, ist meine Kernaufgabe in dieser Welt. Sie ist umfassend (nicht: all-umfassend) und überdauernd (nicht: unveränderlich). Und auch Organisationen und Gesellschaft sollten sich an echten Aufgaben orientieren. Dafür müssen wir die gute Welt in den Blick nehmen, wie wir sie uns vorstellen. Denn erst aus ihr ergibt sich unsere Aufgabe. Erst eine Idee von der guten Welt macht uns zu Gestaltern, zu gemeinsamen Reisenden. Sie ist kein Szenario, kein Plan, keine Verlängerung der Geraden aus der Vergangenheit in die Zukunft, sondern eben eine Idee, die uns von Kontrahenten um das Jetzt zu Gefährten ins Morgen werden lässt.
Dann endlich können wir davon lassen, unser Handeln vor allem als Kampf gegen die Anderen zu betrachten, als Kampf zwischen Oben und Unten, Schwarz und Weiß, Frauen und Männern, Tätern und Opfern, Staat und Unternehmen. Dann können wir anfangen, am Frieden zu arbeiten und unserer Mobilität. An unserer Kommunikation und am Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Darin liegen die Aufgaben, die größer sind als jeder Einzelne, die überdauern. Die gemeinsam anzugehen sich wirklich lohnt.